Gemeinschaftsgastronomie in Deutschland

Gemeinschaftsgastronomie im Dienste des Gastes von den Anfängen bis heute

Ob in Betriebsrestaurants oder Kliniken, in Schulen oder Senioreneinrichtungen, in Messehallen oder Fußballstadien – früher wurde verpflegt, heute wird auf hohem Niveau bewirtet. Die Gemeinschaftsgastronomie in Deutschland hat tiefgreifende Veränderungen erfahren und ist ohne Zweifel ein echter Zukunftsmarkt. Gemeinschaftsgastronomie zählt zum Außer-Haus-Markt und gilt als prosperierender Volumenmarkt. Die Aufgabenstellung ist anspruchsvoll: quer durch alle Alters und Einkommensgruppen Menschen zielgruppengerecht gastronomisch zu versorgen.

Die Gemeinschaftsverpflegung ist alles andere als eine Erfindung der Neuzeit. Freie Komponentenwahl, durchgestylte Betriebsrestaurants, gesunde Kost im Krankenhaus. Was heute selbstverständlich scheint, hat eine lange Tradition. Die begann bei den großen antiken Sportveranstaltungen, griechischen Theateraufführungen und dem Bau der ägyptischen Pyramiden und Tempel im Zweistromland: Wer dabei war, musste beköstigt werden. Deshalb besteht das heute viel bestaunte Wunder der Pyramiden nicht nur in ihrer Pracht. Schließlich wurden dabei mehrere Hundertausend Menschen versorgt, die sie Jahr um Jahr erbauten.Was für ein logistisches Meisterstück!

In der Bundesrepublik Deutschland kam vor allem nach 1970 so richtig Schwung in die Gemeinschaftsgastronomie. Das „deutsche Wirtschaftswunder“ der 1960er hatte dafür die Basis gelegt. Wahlessen löste das Einheitsgericht ab, erste Freeflow-Ausgaben sorgten dafür, dass die Schlangen an den Ausgabeschaltern verschwanden. Was in den nächsten Jahren folgt, ist die Arbeit am Profil, am Image und am wichtigen Thema Qualität. In den 90er Jahren wird immer mehr das Angebot der Gastronomie zur Messlatte für die Gemeinschaftsgastronomen. Das Outsourcing von sekundären Aufgabenbereichen wie der Reinigung entlastet zunehmend die Personalkosten. Der zunehmend steigende Kostendruck und der Abbau von Sozialleistungen in Betrieben und sozialen Einrichtungen führte zu einem Umdenken und zu neuen Regieformen wie der Gründung von Tochter GmbHs, Cateringbetrieben und Pachtverträgen mit freien Unternehmen der Gemeinschaftsgastronomie.

 

Der Cateringmarkt hat sich in den letzten drei Jahrzehnten zu einer der wachstumsstärksten Dienstleistungsbranchen entwickelt. Einen deutlichen Anteil an dieser Entwicklung haben die Caterer im Gesundheitsmarkt. Darunter sind Full-ServiceAnbieter, die aus dem Facility-Markt stammen und erst durch den Markteinstieg in den neuen Bundesländern mit Volldampf im Verpflegungsbereich durchstarteten. Die Gründungswelle von GmbHs, Sparten oder Business Units hält weiter an. Auch das unternehmerische Denken der Gemeinschaftsverpfleger ist inzwischen um ein Vielfaches höher, als vor 20, 30 Jahren. Die Leiter von Wirtschaftbetrieben mutierten zu kostenbewussten Managern ihrer Unternehmen.

Heute steht die Gemeinschaftsgastronomie in allen Segmenten für Qualität, Genuss und gesundheitsorientierte Angebote. Nicht nur in Betrieben, auch in der Kinder- und Schülerverpflegung bis hin zur Versorgung der Truppen beim Bund sowie von Menschen in Anstalten, Krankenhäusern und Seniorenheimen.

 

 

Wirtschaftliche Bedeutung der Gemeinschaftsgastronomie

Die Gemeinschaftsgastronomie gilt als „Mengenmarkt“, das bedeutet: ein Segment innerhalb des Außer-Haus-Marktes mit gleichbleibend hohen Essenzahlen, die sich in bedeutenden Einkaufs-Volumina widerspiegeln. Der Gesamtumsatz wird auf über 18 Mrd. Euro geschätzt. Dabei ist der Markt in seinen Strukturen komplex und nicht exakt zu quantifizieren. Millionen Menschen nutzen täglich die unterschiedlichen Einrichtungen und Angebote. Dabei prägt die Branche in hohem Maße das Verzehrverhalten von Kindern und Schülern, Studenten, Patienten und Senioren, Arbeitnehmern und -gebern, kurz Gästen jeden Alters. Die drei tragenden Säulen der Gemeinschaftsgastronomie sind Business, Care und Education. Unter ihrem Dach befinden sich weitere, kleinere Segmente, die der Gemeinschaftsgastronomie zugerechnet werden – von der Campusgastronomie über Justizvollzugsanstalten und Truppenküchen bis hin zum expansiven Markt der Kinder- und Schulverpflegung.
 

Betriebsgastronomie – Segment Business
Zu Anzahl und Struktur der Betriebsrestaurants in Deutschland liegen kaum repräsentative Daten vor. Das Gesamtmarktvolumen liegt bei annähernd 18,3 Mrd. Euro, das der Betriebsgastronomie wird auf rund 14,8 Mrd. Euro geschätzt, zu einem Drittel resultiert dieser Umsatz aus der Zwischenverpflegung (einschließlich Vending und Gästebewirtung). Aktuelle Außer-Haus-Markt-Daten der CMA/ ZMP, ermittelt von der Nürnberger NPDGroup belegen nach einer repräsentativen Befragung, dass jährlich pro Werktag von mehr als 40 Mio. Erwerbstätige knapp die Hälfte Zugang zu Kantinen haben und rund 13 Mio. diese als Gäste auch nutzen.

Unabhängig von diesen Zahlen kommt der Betriebsgastronomie in Deutschland traditionell eine besondere Rolle zu. Früher Sozialleistung, ist die Mitarbeiterverpflegung heute mehr und mehr eine gastronomische Aufgabe mit modernen F&B-Angeboten.

Die Frage nach der Betriebsform, in der die Verpflegung organisiert ist – Eigenregie, Catering oder Pacht – gehört seit langem zu den zentralen Fragen in der Gemeinschaftsgastronomie. Es geht um das Thema „selber machen oder fremd vergeben“. Mehr und mehr Unternehmen gehen zum Outsourcing von Leistungen jenseits ihres Kerngeschäftes über - dazu gehört auch die Mitarbeiterverpflegung. In den letzten Jahren haben unter diesem Aspekt vor allem die großen Contract- Caterer immer mehr Marktanteile gewonnen.

Mit konjunkturellem Rückenwind erzielten die Top 33 Contract Caterer in Deutschland für das Geschäftsjahr 2016 ein Umsatzplus von 4,5 Prozent – damit wurde das Vorjahresplus von 5,1 Prozent knapp verfehlt. Das stärkste relative Plus verbucht mit +6,3 Prozent die Kategorie Education. Die Exklusivanalyse der Fachzeitschrift gv-praxis erfasste mehr als 6.400 Verträge mit knapp 3,3 Mrd. Euro Nettoumsatz. Das alles passierte 2016 vor insgesamt erfreulichen Rahmenbedingungen: Dazu gehören ein sehr gutes Konsumklima ebenso wie eine hohe Beschäftigungsquote. Sie sorgen für gute Zuwächse bei den Durchschnittsbons sowie eine interessante Gesamt-Performance. Der Teilmarkt Business gilt mit 4,8 Prozent Erlösplus als sehr stabil, vereint er doch fast 55 Prozent aller Umsätze auf sich.

Die deutsche Catering-Szene prägen nach wie vor die großen Player sowie und ein gesunder Mittelbau von regionalen Familienunternehmen, die sich im Wettbewerb durchaus gut behaupten. Die übrigen – vor allem kleinere – Betriebsküchen liegen in den Händen von kleinen und mittelständischen Pächtern. Neben diesen drei Grundformen Eigenregie, Catering und Pacht existieren mittlerweile diverse Misch- und Sonderformen – vom Küchen-Sharing bis hin zur ausgegliederten Küchen-GmbH.

Zu den heiß gehandelten Branchenthemen gehören 2016/17 die Folgen der Digitalisierung für Markt und Macher. Auch das Wachstum im Liefergeschäft, gefördert durch digitale Bestellplattformen, die wie Foodora oder Deliveroo auch logistische Leistungen erbringen, sollten den Dienstleistern zu denken geben. Neue Arbeitszeitformen und -modelle lassen vermuten, dass die Zahl der Menschen, die zwischen 12 und 14 Uhr am Arbeitsplatz den klassischen Mittagstisch einnehmen, weiter sinken wird. Contract Caterer können von dieser Entwicklung durchaus profitieren, wenn sie die damit verbundenen Chancen erkennen und den Hype der neuen Bringdienste durch eigene, modifizierte Serviceleistungen mittragen.

Weiter in der Diskussion ist das Thema Subventionen: Inwieweit sind die Unternehmen noch bereit oder in der Lage, für die „Sozial - leistung Kantine“ zu zahlen? Vor diesem Hintergrund ist jeder Betriebsgastronom heute gefordert unternehmerisch zu denken; er wird von seinem Auftraggeber in Frage gestellt, seine Leistung steht ständig auf dem Prüfstand. Im Klartext: Subventionen werden gekürzt oder sogar gestrichen.
 

Sozialverpflegung – Segment Care
Die Schwierigkeiten der Contract Caterer in diesem Markt sind unübersehbar: Für alle Einrichtungen des Gesundheitswesens, also Krankenhäuser und Vorsorge- sowie Reha- Einrichtungen, Alten- bzw. Seniorenheime, ob groß oder klein, ob öffentlich, privat oder präsenkonfessionell, lautet das Motto nach wie vor „Leistung rauf – Kosten runter“. In der Dekade 2006 bis 2016 sanken die Umsatzanteile am Gesamtumsatz von 23,6 auf 17,8 Prozent. In diesen Jahren sank der Anteil der Eigenregie-Küchen von 67 auf 51 Prozent (Studie DKI/K&P). Dagegen kletterte der Anteil Vollcatering in diesen Jahren von 9 auf 11 Prozent. Die Fremdvergabe der Verpflegung an einen externen Dienstleister hat sich in der Dekade nicht signifikant weiterentwickelt, aber der Trend zur Zentralisierung hält weiter an.

Alles deutet auf einen extremen Strukturwandel in der Sozialverpflegung hin: Zentralisierungstendenzen, Abbau von schwach ausgelasteten oder unrentablen Küchenkapazitäten – und damit auch Arbeitsplätzen, weiterer Druck auf die Einkaufskonditionen durch Marktbündelung, Gründungswellen neuer GmbHs und reichlich Vertragstourismus zwischen Dienstleistern. Vielfach stehen die reinen Kosten, die die Verpflegung verursacht, im Mittelpunkt. Dabei kann die Küche durchaus einen wichtigen Beitrag zur Patientenzufriedenheit leisten und potenzielle Wettbewerbsvorteile schaffen.

Auch hier kreist die Diskussion wie in der Betriebsgastronomie vielfach um das Thema Outsourcing. Fazit: Die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben massiven Einfluss auf das Gesundheitswesen in Deutschland - und damit auch auf die Situation der Küchen in Kliniken und Heimen.
 

Kinder-, Schüler- und Studentenverpflegung – Segment Education
Das Thema Schulverpflegung hat in den letzten Jahren bei professionellen Anbietern weiter an Interesse gewonnen. Es birgt zusätzliche Potenziale und ist gleichzeitig sehr komplex. Problematisch stellt sich in der Praxis dar, dass die Ausgangssituationen aufgrund unterschiedlicher Regelungen in den Kommunen und an den Schulen selbst in fast jeder Bildungseinrichtung anders sind und spezifische Konzepte, differenzierte Angebote sowie eine extrem hohe Flexibilität erfordern. Ganztagsschulen sind weiter auf dem Vormarsch.

Die 960 Mensen und Cafeterien der Studentenwerke in Deutschland versorgten 2015 insgesamt 2.455.236 Studierende. Der Bereich Studentenverpflegung gilt nach wie vor als experimentierfreudiger Trendsetter für die gesamte Branche. Müssen sich die Verpflegungsbetriebe der Studentenwerke doch oft einem harten Wettbewerb mit Imbissangeboten in Campusnähe stellen. Ihre Verpflegungskonzepte sind modern und innovativ: Sie setzen auf multifunktionale Angebote, Free-flow-Speiseausgaben mit attraktiven Pasta-Stationen, Coffee-Shops, Vendingautomaten und Sandwichbars. Kaum ein anderes Segment der Gemeinschaftsgastronomie nutzt die Chancen der Digitalisierung intensiver, um potenziellen Gästen das Angebot der Mensen und Cafeterien auf Social-Media-Kanälen zu präsentieren. Durch straffe Bachelor- und Masterstudiengänge werden die Mensen, ausgestattet mit attraktiven WLAN-Anschlüssen, zunehmend zum ganztägigen Verpflegungsund Kommunikationsmittelpunkt der Studierenden.

 

Quelle: Gemeinschaftsgastronomie in Deutschland, DEHOGA Bundesverband